1. GRUNDSÄTZLICHES

Die Fraktion GFL/EVP hat letztes Jahr den Antrag der BDP/CVP-Fraktion unterstützt, der eine Erhöhung des Pensionsalters gegenüber des in Art. 18, Abs. 3 des Personalreglements festgehaltenen Pensionsalters 63 verlangte. Sie hat in den nachfolgenden Debatten mehrfach festgehalten, dass es ihr darum geht, für die städtischen Angestellten faire Möglichkeiten zu schaffen, über das Pensionsalter 63 hinaus zu arbeiten. Bisher besteht eine „Guillotine“ bei Pensionsalter 63: „In Ausnahmefällen kann auf Gesuch hin die zuständige Instanz nach Anhörung des Personalamtes Angestellten das Dienstverhältnis jeweils um höchstens ein Jahr verlängern…“ so der Text des gegenwärtigen Personalreglements.
Dabei ging es uns darum, der Stadt motivierte und oft hoch qualifizierte Fachkräfte in Vollzeit- oder Teilzeitanstellung länger zu erhalten. Aus gesellschaftspolitischer Sicht soll zudem die mittelfristig wohl unvermeidliche Verlängerung der Lebensarbeitszeit nicht durch eine schematische Erhöhung des Pensionsalters, sondern durch eine Philosophie des differenzierten und flexiblen Altersrücktritts bewältigt werden.
2. FLEXIBILISIERUNG DES PENSIONSALTERS UND FRAGE DES PRIMATWECHSELS
Das neue PVR bringt tatsächlich eine umfassende Flexibilisierung des Pensionsalters: die städtischen Angestellten und die Angestellten der ausgelagerten Betriebe, die dem Reglement unterstellt sind, können sich neu grundsätzlich zwischen 58 und 65 pensionieren lassen. Zudem besteht die Möglichkeit, auch über 65 hinaus bis zum 70. Lebensjahr zu arbeiten. Dabei wird der Besitzstand der Angestellten gewahrt: Wer mit 63 gehen will, erfährt gegenüber heute keine Nachteile. Auch in Zukunft soll für die Pensionskasse zudem das Leistungsprimat gelten. Um eine verbesserte Flexibilität zu erreichen, integriert das städtische Leistungsprimat zusätzliche Elemente, die dem „Versicherungsdenken“ des Beitragsprimats entlehnt sind.
Wir stellen fest, dass die vorgeschlagene Regelung weitgehend unseren Grundanforderungen entspricht: Die Beibehaltung des bisherigen Leistungsprimats wird durch das neue PVR tatsächlich kompatibel mit einer umfassenden Flexibilisierung des Pensionsalters der städtischen Angestellten. Die Mechanismen, welche diese Flexibilisierung ermöglichen sind komplex und wir beanspruchen nicht, sie umfassend würdigen zu können. Die Beispielfälle, die wir den Fachleuten der Verwaltung vorlegten, weisen immerhin darauf hin, dass die Verwaltung nach Überschreitung des Lebensalters 58 pragmatische Lösungen finden wird, die weitgehend denjenigen eines Beitragsprimats entsprechen. Dies zeigt zum Beispiel das Berechnungsmodell für diejenigen, die über 65 hinaus arbeiten wollen; ähnliches gilt, wenn jemand nach 58 den Beschäftigungsgrad senken will (persönliche Mitteilungen M. Oester). In dieser Hinsicht relativiert sich dann auch in praktischer Hinsicht der Unterschied zwischen Leistungs- und Beitragsprimat.
Zusammenfassend gesagt: Mit der Möglichkeit bis 65, grundsätzlich sogar bis 70 arbeiten zu können, ist unseren inhaltlichen Anforderungen bezüglich Flexibilisierung Rechnung getragen. Aus diesem Grunde stimmen wir im heutigen Zeitpunkt dem vorgeschlagenen Modell bei und nehmen in Kauf, dass zurzeit kein Primatswechsel vorgesehen ist.
3. SICHERSTELLUNG DER FINANZIELLEN ZUKUNFT DER PENSIONSKASSE
Der demografische Wandel in Kombination mit den in den letzten Jahren festzustellenden Turbulenzen an den Finanzmärkten machen es zur Pflicht, die bestehenden Institutionen auf ihre zukünftige Stabilität hin zu überprüfen. Die unterdessen durch den Gemeinderat veranlasste Analyse ergibt, dass bei der städtischen Pensionskasse tatsächlich systematische Finanzierungslücken bestehen: Nicht nur ist die städtische Pensionskasse zurzeit nicht vollständig ausfinanziert, bei einer Beibehaltung des gegenwärtigen Kurses müsste auch mit zunehmendem Schaden gerechnet werden.
Die Eckpunkte der jetzt neu vorgesehen Anpassungen sind die folgenden:
1. Die Erhöhung der Versicherungsdauer um zwei Jahre. Damit gleicht sich die Stadt den Standards von Kanton und Bund an. Wir würdigen diese Massnahme als wichtigen Beitrag der Arbeitnehmenden an die Gesundung der Pensionskasse.
2. Eine Beteiligung der Arbeitnehmenden an der Finanzierung der AHV-Überbrückungsrenten. Wir geben unserem Erstaunen darüber Ausdruck, dass diese Renten bisher offenbar ausschliesslich von der Arbeitgeberin finanziert wurden und begrüssen diese Korrektur.
3. Eine Neuregelung der Rentenfinanzierung bei Lohnerhöhungen, die sich dem beim Bund üblichen Vorgehen anpasst. Auch hier stellen wir fest, dass die Kosten für zusätzliche Einkäufe bisher offenbar vollumfänglich von der Arbeitgeberin aufgebracht wurden und begrüssen die Korrektur.
4. Behebung der bisher ungenügenden finanziellen Sicherstellungen von vorzeitigen Pensionierungen. Dies bedeutet, dass frühzeitige Pensionierungen bisher teilweise zu Lasten derjenigen Angestellten gingen, die bis 63 arbeiteten. Diese Massnahme behebt bisherige Ungleichbehandlungen. Sie wirkt sich in diesem Sinne zugunsten des Personals aus. Gesamthaft haben wir den Eindruck gewonnen, dass die Durchleuchtung des heutigen Zustands sorgfältig und vorurteilsfrei durchgeführt wurde und die sich aufdrängenden Korrekturen im Reglement berücksichtigt sind. Wir gehen aus diesem Grunde davon aus, dass auch  die Projektionen für die zukünftige Situation der Pensionskasse realistisch sind.
4. WEITERE PUNKTE
a) Pensionierung von physisch schwer Arbeitenden der unteren Lohnklassen
Wie wir aus Gesprächen mit Mitgliedern von Gemeinderat und Verwaltung wissen, ist die bisherige Pensionsregelung für diese Angestelltenkategorie sehr unbefriedigend. Anzustreben wäre eigentlich eine Pensionierung mit 60 bei voller Rente, wie sie die Bauwirtschaft kennt. Schon heute besteht zwar theoretisch die Möglichkeit, sich mit 60 pensionieren zu lassen. Angesichts des vergleichsweise tiefen Lohnniveaus sind die dabei anfallenden Kürzungen der Pension aber oft so hoch, dass keine existenzsichernde Rente mehr resultiert. Die neue Regelung bringt in dieser Hinsicht leider keine Verbesserung: Nach wie vor wird es notwendig sein, Betroffenen durch Weiterbeschäftigung auf Schonarbeitsplätzen, Krankschreibungen oder Invaliditätsrenten über die Zeit bis 63 hinwegzuhelfen. Etwas mehr Solidarität gegenüber den weniger verdienenden Angestellten entsteht im neuen Reglement lediglich bei den AHV Übergangsrenten: Deren Vorfinanzierung erfolgt über Lohnprozente, die Auszahlungen sind aber für alle dieselben. Aus diesem Grund tragen die hohen Einkommen überproportional zu den Gesamtkosten bei.
Wir bedauern es, dass das neue PVR mit der obgenannten Ausnahme in dieser Frage keine Neuerungen bringt. Nach Auskunft des Gewerkschaftsvertreters stellen sich einer Umsetzung dieser Forderung im PVR heikle Probleme bezüglich Gleichbehandlung aller für die Stadt Arbeitenden entgegen. Wir werden in der Zeit nach Annahme des Reglements darauf hinwirken, möglichst bald zu einer gegenüber heute befriedigenderen und gesetzlich zulässigen Lösung der Situation zu gelangen. Wir fragen uns schon heute, ob sich eine Umsetzung von des Vollrentensatzes von 61.2% mit 60 für entsprechende Kategorien von Angestellten nicht ganz oder teilweise für die Stadt Bern rechnen würde: In der Bauwirtschaft kam ein wichtiger Anstoss für das Rentenalter 60 für physisch schwer Arbeitende offenbar von der SUVA, die mit kostendeckenden Erhöhung von Versicherungsleistungen drohte. Es ist eigentlich nicht einzusehen, weshalb nicht auch innerhalb der Stadtverwaltung umfassende Kostenüberlegungen, die sich nicht auf die Pensionskasse beschränken, zu ähnlichen Resultaten kommen können.
b) Regelung für Pensionsalter über 65
Die Regelung ist ziemlich schwammig formuliert. Zitat aus einem Kommentar: „Diese neue Möglichkeit der Weiterversicherung über das AHV-Alter hinaus, entspricht den Grundregeln des BVG und führt zu einer erwünschten weiteren Flexibilisierung des Pensionierungszeitpunkts. Sie soll indessen Ausnahme bleiben …“.
Diese Formulierungen lassen es zu, dass sich am heutigen Zustand de facto nichts ändert: Die Umsetzung dieser Art Flexibilisierung erfolgt wie bisher von Fall zu Fall. Immerhin besteht neu die Möglichkeit, Regelungen zu treffen, die über die bisher zulässigen Zeiträume hinausgehen. Wir hoffen, dass der Gemeinderat in seiner Rolle als Arbeitgeber entsprechende Gesuche wohlwollend behandelt. Dies nicht zuletzt auch, um praktische Erfahrungen zu sammeln, die in spätere Neuregelungen einfliessen können.
c) Wegfall der städtischen Leistungsgarantie
Es ist sicher wichtig, dass es eine Schranke des Finanzierungsgrads gibt, unterhalb derer die Stadt zu einer Sanierung der Pensionskasse verpflichtet ist. Uns ist aber die Rolle der Obergrenze von 120% für die Beibehaltung der Leistungsgarantie nicht nachvollziehbar. Die PVK hat doch eigentlich ein Interesse daran, die Garantie der Stadt zu behalten. Diese bringt ihr etwas, schadet ihr aber nicht. Mit einer Obergrenze entsteht doch ein Anreiz dafür, nie 3 Jahre in Folge über diesem 120% Finanzierungsgrad zu liegen.
5. ZUSAMMENFASSENDE BEURTEILUNG
Das totalrevidierte Personalvorsorgereglement sieht eine umfassende Flexibilisierung des Systems vor, das unseren Grundforderungen Rechnung trägt. Aus Sicht des Personals besteht insofern eine Bestandsgarantie als die Rentenhöhe mit Alter 63 nach wie vor 61.2% des versicherten Lohns beträgt. Aufgrund einer Analyse des heutigen Zustands wurden im neuen Reglement zudem Neuregelungen getroffen, welche die finanzielle Gesundheit der Kasse für die Zukunft sicherstellen sollten. Nicht vorgesehen ist dagegen ein Wechsel vom gegenwärtigen Leistungsprimat zu einem Beitragsprimat.
In einer Gesamtsicht stellen wir fest, dass das neue Reglement den für uns zentralen Aspekten einer Neuregelung der Pensionierung Rechnung trägt. Die Tatsache, dass das bestehende Leistungsprimat beibehalten wird, finden wir zwar bedauerlich. Wir anerkennen aber, dass es den Verantwortlichen gelungen ist, eine Lösung zu präsentieren, die in zentralen Aspekten die Unterschiede zwischen Leistungs- und Beitragsprimat massiv verringert hat.
Wir sind der Meinung, dass der heute vorliegende Stand der Regelungen in Zukunft noch Weiterentwicklungen verlangt. Wir vermissen vor allem eine befriedigende Regelung für die Pensionierung von physisch schwerarbeitenden und lohnmässig tief eingestuften städtischen Angestellten. Zudem sind die neu eingeführte Regelungen für Personen, die länger als 65 arbeiten möchten, noch sehr vage. Die Erfahrungen, die in den kommenden Jahren – hoffentlich – gemacht  werden, sollten mittelfristig in eine ausgereiftere Regelung münden. Und last but not least: wir werden die Frage, ob und wann wir einen Übergang zum Beitragsprimat vornehmen sollten, auch in Zukunft nicht aus den Augen verlieren.
Ergänzung zum Botschaftsentwurf des Gemeinderats
Wir stellen fest, dass im Entwurf des gemeinderätlichen Vortrags kein Hinweis auf die mit dem neuen Personalvorsorgereglements notwendigen Anpassungen des Personalreglements zu finden ist (insbesondere von Art. 18, Abs. 3 PVR). Wir behalten uns vor, eine entsprechende Änderung nötigenfalls per parlamentarischem Vorstoss zu fordern.