Unser Gesundheitswesen ist nicht zu teuer
In den nächsten Wochen werden Politiker:innen von links bis rechts angesichts steigender Krankenkassenprämien wieder von einer «Kostenexplosion» sprechen und behaupten, unser Gesundheitswesen sei zu teuer und es müsse dringend gespart werden.
Selbstverständlich sind die Krankenkassenprämien für viele Leute ein Problem und hier müssen wir sozialpolitisch handeln. Und selbstverständlich müssen Ärzt:innen und Spitäler haushälterisch mit den Mitteln der Versicherten umgehen. Dass wir das tagtäglich tun und dafür von niemandem Applaus erhalten, davon könnte ich Ihnen als Verantwortlicher für ein grosses Spital ein Lied singen. Ich sehe auch viele Möglichkeiten, wie wir auf vernünftige Art
effizienter werden können und diese Möglichkeiten ergreifen wir auch.
Ich halte es aber für falsch, zu behaupten, unser Gesundheitswesen sei zu teuer. Zehntausende von Mitarbeitenden in der Pflege, Haus- und Kinderärzt:innen, Spezialisten und Spitäler leisten in unserem Land hervorragendes. Mit immer mehr Spar- und Kostendruck gefährden wird die Versorgung und verschlechtern die Arbeitsbedingungen dieser Menschen.
Die Schweiz darf stolz sein auf sein Gesundheitswesen, wie sie auch stolz sein darf auf ihre Hochschulen oder ihre gut funktionierende Verwaltung. Krankheiten, die früher tödlich waren, können heute behandelt werden, Hirnschlagpatient:innen verlassen das Spital heute ohne Lähmungen oder Behinderungen, die Lebenserwartung der Schweizerinnen und Schweizer ist auch dank unserer Pflege und unseren Ärzt:innen sehr hoch. Dank unserer
Medizin werden wir eines Tages sogar den Krebs besiegen. Die Liste liesse sich beliebig verlängern.
Seien wir den Mitarbeitenden des Gesundheitswesens dafür dankbar. Ihre Leistungen sind die rund 12 % des Bruttoinlandproduktes wert, die wir für Gesundheit ausgeben. Und wir können und wollen uns diese Ausgaben auch leisten. Die Wachstumsraten der Gesundheitsausgaben sind in den letzten Jahren gesunken, von einer Kosten«explosion» kann nicht die Rede sein.
Was nicht funktioniert, ist unser Krankenversicherungssystem. Die Prämien steigen mehr als die Gesundheitskosten. Die Kosten sind in den letzten 25 Jahren um 80 % gestiegen – die Prämien aber um 146 %. Wir zahlen immer einen grösseren Anteil über die Prämien. Das müssen wir anpacken.
Was wir ändern müssen, sind die unsozialen Kopfprämien. Sprechen wir über Prämienverbilligungen, über einkommensabhängige Prämien oder Lohn-Prozente, sprechen wir über eine öffentliche Krankenversicherung wie unsere bewährte SUVA. Aber hören wir auf, unsere Pflegemitreitenden, unsere Ärzt:innen und unser Gesundheitswesen mit Kostendruck kaputt zu machen! Zum Wohle dieser für uns engagierten Menschen, zum Wohle von uns allen.
Bernhard Pulver
Prof. Dr. iur., Präsident der Insel Gruppe
(Dieser Artikel ist auf der Newsplattform nau.ch erschienen)